Thomas Pöhler

Beobachtung und Gedanken zur Malerei von Hans Schulte

Parallel Lines Black
Structure Cross Blue

„Ich sperre den Untergrund ab, mit dem Industriegewebe kann ich nichts anfangen“: In einem ersten Schritt unterzieht Hans Schulte jede aufgespannte Leinwand einer sorgfältigen Vorarbeit. Sie wird dabei nicht etwa, wie bei Malern im Allgemeinen üblich, mit breiter Grundierbürste und flüssiger Farbe geweißelt, sondern sehr sorgsam beschichtet, das Gewebe komplett gefüllt und bedeckt. Die Farbmasse zieht sich vollkommen glatt über die Bildfläche, steht dabei aber seitlich über die Ränder hinaus. Der Bildrand ist somit wellig und auch mal brüchig. So gewinnt der Bildgrund eine natürliche Anmutung und der Betrachter mag sich an ein verputztes Wandfragment oder an eine gebrochene glattgeschliffene Marmorplatte erinnern, was auch den zarten Farbnuancen im Weiß zu verdanken ist. Ein kalt strahlendes, industrielles Titanoxid lehnt der Maler ab, es gibt auch Dunkelweiß. Dieser handwerklich präzise, behutsam geschaffene Grund beeinflusst mit seiner Licht-, Materie- und Formpräsenz die kommende Arbeit am Bild. Zunächst aber darf er ruhen, muss durchtrocknen und vom Maler studiert und kennengelernt werden.

Ein dunkelgraues Rechteck füllt fast komplett diesen hellen Grund aus. Das dunkle, messerscharf abgegrenzte Rechteck ist aber doch etwas kleiner als die Grundfläche, sodass ein schmaler Streifen des Malgrundes am Bildrand unangetastet bleibt. Das direkte Nebeneinander der beiden gegensätzlichen Kanten, wellig-gebrochener Grundierfläche und schnurgerader Malfläche, provoziert. Es stellt die Frage nach der Außengrenze. Wo fängt das Bild an? Darf man den ersten Schritt, den Weißgrund, zwar als materielle Notwendigkeit, aber als untergeordnet bewerten - im Vergleich mit der exakt definierten folgenden Malerei - dem entschiedenen Dunkel, und seinen recht strengen formalen Setzungen, den weißen Linien? Häufig legt Hans Schulte in seinen Bildern die Abfolge seiner Schritte offen. Hier ist es ein wenige Millimeter breiter Streifen, nicht übermalt oder sonst wie angetastet, der der unteren Schicht zu ihrem Recht verhilft. Nur selten gibt es bei Hans Schulte eine Untermalung, die man lediglich erahnt, die nur bescheiden durchschimmert, die ausschließlich der Schlussschicht dient, sich in ihr auflöst. An seinen Rändern wird das Bild zeitlich. Hier fächert sich der Entstehungsprozess in seine Einzelschritte auf. Man meint fast, die Lagen der Malerei ließen sich wie die Seiten eines Buches aufblättern. Schultes Bilder haben oft den Charakter eines flachen Reliefs, das über seine Tiefenstrukturen klaren Aufschluss gibt.

Zwar scheinen die horizontalen weißen Doppellinien auf dem schieferschwarzen Rechteck – oben zwei, unten eine – die Linien einer Schultafel zu suggerieren. Doch die für den ersten Blick flüchtigen und leicht zittrigen Kreidestriche sind tatsächlich Rillen. Der Pinselstiel zeichnete in die frische, schwarze Malerei und legte so eine Linie des festen weißen Grundes frei. Ohne Lineal kann die Linie kein Vorbild an Ordnung und Exaktheit werden, sondern nur der Unzulänglichkeit einer Handschrift Ausdruck verleihen. Nach dem flatternden Grundierrand und der genauen Begrenzung des schwarzen Rechtecks tritt hiermit ein dritter Maßstab für Begrenzung, Ordnung und Exaktheit ins Feld. Konzentriert und doch frei, in leichter Welligkeit oder auch mal mit dem Anklang eines Zitterns, wird die Linie zur seismischen Aufzeichnung einer horizontalen Armbewegung. Schulte bringt stets verschiedene Ordnungen ins Spiel. Auf der Bildtafel müssen sie sich gegeneinander behaupten, stellen sich in Frage, versetzen sich in Spannung oder erreichen einen Ausgleich. Die weißen Linien, die sich aus der Nähe als Rillen entpuppen, ermöglichen uns noch einmal den Blick auf die Grundierungsmalerei. Die undurchdringliche schwarze Farbschicht wird hier geteilt und geöffnet. Und das Ziehen dieser weißen Linien in die frische Farbe sorgt für ein sanftes Heben und Senken der weichen schieferfarbenen Deckschicht. So hat sich in der getrockneten und harten Bildoberfläche nicht nur eine Bewegung, sondern auch ein früherer Aggregatzustand konserviert. Das behutsame Pflügen eines Pinselstiels durch eine weiche Farbschicht bleibt als Ereignis lebendig.

Die weißen Grundlinien füllen nicht die ganze Fläche. Sie machen Halt vor dem eigentlichen Geschehen: Zwischen einer oberen und zwei unteren Doppellinien bleibt ein großes, dunkles Feld unberührt. Im Schwarz tauchen Nebelpartien und flüchtige Strukturen auf. An der Oberfläche zeigen sich Andeutungen von Wirbeln, Strudeln und Schlieren in einer Zartheit, die an eine chinesische Tuschezeichnung erinnern lässt, ein schwarzes Aquarell. Dieses dunkle Feld hat der Maler zu einem Spielfeld oder Ereignisfeld für einen Prozess gemacht, der in seinem Ergebnis nicht voraussehbar war. Im klar umrissenen Rahmen wurden Farben aufgetragen und das Werkzeug in Bewegung gesetzt. Die Kunst des Bogenschießens: Man bekommt den Eindruck, die geheimnisvollen dunklen Strukturen wären ohne Zutun des Künstlers aus der Tiefe der Farbschichten aufgestiegen.

Das Blaue Bild

Bis kurz vor die Bildränder spannt sich ein Blau, in einer seltsamen Intensität zwischen trüb und satt. Expressive Farbigkeit lehnt Schulte für seine Arbeit ab, gezielt eingesetzte Interaktion von Farben findet aber immer statt. Der elfenbeinweiße äußerste Rand trägt kräftige rote Farblasuren. Und bei dem vermeintlichen Schwarz daneben handelt es sich tatsächlich um Dunkelgrün. Diese schmale Farbcorona bestimmt das Blau und lädt es zusätzlich auf. Es erhält einen Beiklang von Himmelslicht. Die Farbe liegt als Decke auf einem gleichmäßig mit Kreuzgitter strukturierten Untergrund und zieht sich bis in die Vertiefungen. In den dunkelgrünen Grund des Blaus hatte der Maler zuvor ein strenges und doch wiederum handschriftlich gesetztes Muster aus kleinen Kreuzen eingeschrieben. Solch ein technisch anmutendes Raster erinnert an die Mondfotos der NASA. Die Astronauten hatten zur Vermeidung von Abbildungsfehlern eine Messbildkamera verwendet, deren Gitterpunkte ein späteres Ausgleichen von Verzerrungen des Filmes ermöglichen. In Schultes Bild wird das Messmuster zum Inhalt der Abbildung, zu einem Relief. Er zielt dabei bewusst neben die von unserem kollektiven Bildgedächtnis geweckten Erwartungen. Das Messmuster der NASA-Fotos ist an Präzision nicht zu übertreffen, der Kontrast zur hügeligen und steinigen Mondlandschaft auf den berühmten Fotos steigert diesen Eindruck noch zusätzlich. Doch hier nun ist jede Kreuzmarke individuell mit kleinen handwerklichen Abweichungen, frei von einer Schablone in die feuchte Farbe gekerbt. Die Ränder der Kreuze sind schrundig. Wie in allen Bildern Schultes treten mit verändertem Betrachterabstand auch die Bildphänomene unterschiedlich in Aktion: Aus der Nahsicht wirkt das einzelne Kreuz wie ein kleiner Krater, und man staunt, dass die blaue Farbe, die so dünn ist, dass sie in den Vertiefungen überhaupt nicht aufträgt, es trotzdem vermag, den Untergrund opak blau zu bedecken. Mit einigen Metern Abstand meint man im Muster der Kreuze eine Stickerei zu sehen. Und diese textile Wirkung wird dadurch verstärkt, dass Schulte den Pinsel mit der blauen Farbe erst runter, dann quer über die Bildfläche zieht. Die Pinselzüge dünnen sich zum Rand hin aus. Wie bei einem etwas verschlissenen Gewebe. Das Blau beginnt zu changieren. Die Malerei wird zur Augentäuschung. Und doch setzt sie sich nicht dem Vorwurf des Truges aus, liegen ihre überlegt und sparsam eingesetzten Mittel doch vollkommen offen zu Tage. Schultes stets reduzierte und manchmal auch strenge Kompositionen wirken sich in einer zusätzlichen Drosselung der Illusion aus. Seine Malerei ist immer auch eine bewusste Gratwanderung. Das Lustvolle und das Verführerische zeigen sich dem Betrachter häufig erst nach und nach. Die Bilder bleiben nie ausschließlich abstrakt lesbar. Farbigkeit und Haptik wecken stoffliche Assoziationen von Chiffon oder Wundpflaster. Es entsteht jedoch auch nie inhaltlich eindeutige Wirklichkeit.

Mit der Malschicht, die das blaue Bild abschließt, schließt sich ein Kreis. Die stoffliche Grundlage des Bildes, ein aus dem Ballen geschnittenes Stück Leinwand, aufgespannt auf einen Keilrahmen, erklingt im fertigen Bild wie ein leises Echo als gemaltes Gewebe.

Über die Jahre kehrt Schulte immer wieder dahin zurück, auf den Unterbau einer abstrakten Komposition flüchtig ein gegenständliches Bild zu lasieren. Manchmal figürliche Szenen, häufiger eine Landschaft, die wirken wie eine Erinnerung an eine Malerei, die die Wirklichkeit darstellen und beschreiben, Illusion schaffen durfte. Die finale Malschicht eines abstrakten Bildes sieht dann aus wie eine Untermalung für ein gegenständliches Bild, sie wirkt wie ein Zitat und irgendwie verblasst. Als den Schlusspunkt der langen Arbeit an einem Bild setzt der Maler eine Bildskizze.



Gegenstand, Fragment, Spur.

Zur Malerei von Hans Schulte
(Black Mountain, Kettler Verlag, 2007)
Magdalena Kröner

english version

Prozess und Erinnerung

Hans Schultes Malerei schafft Bildkörper, die sich vermittels ihrer haptischen und physischen Präsenz fühlbar in den Umraum eintragen und zugleich eine Spur des Erinnerns ins Unbewußte legen. Das Augenfälligste dieser Malerei ist dabei der sichtbar gemachte Vollzug der malerischen Setzungen. Es bleibt die sich physisch mitteilende Präsenz der malerischen Geste, die sowohl auf ihr Motiv als auch auf den abstrakten Rhythmus von Linien, Gittern und Punkten vertraut und darin ein komplexes bildnerisches Gewebe schafft, das sich durch vielfältige Überlagerungen auszeichnet. Hans Schultes Malerei widmet sich der bildkünstlerischen Erforschung und dem Vorführen komplexer Mehrdeutigkeit, die ein hohes Maß an aktiver Entschlüsselungsleistung von ihrem Gegenüber einfordert.

Dabei ermöglicht es der von Schulte verwendete, matte Bildgrund ein breites Spektrum gestischer Eingriffe und Prägungen der Oberfläche, die sowohl die illusionistische Dichte der Malerei als auch die Spontaneität des zeichnerischen Prozesses zu tragen vermag. Hans Schultes Doppelstrategie sucht nach einer grundlegenden Erweiterung des klassischen Malereibegriffes vor dem Hintergrund einer über Jahre betriebenen rein malerischen Praxis. Der Prozeß des Ausgreifens sowohl ins Zeichnerische als auch ins Plastische hinein bestätigt zur gleichen Zeit jedoch immer wieder das Bild; seine Oberfläche und Struktur und seine spezifischen Begrenzungen als Maßstab allen Tuns und führt dem Malerischen neue Impulse zu.

Die für Hans Schultes Werk charakteristische Schärfe entsteht durch das Annähern oder vielmehr: doppelte Durchkreuzen von malerischer Dimensionalität und Präzision mit zeichnerischer Schnelligkeit und Leichtigkeit. Malerische und zeichnerische Gesten werden zur gleichen Zeit möglich und bleiben jeweils als solche nachvollziehbar. Der Reiz einer unmittelbar sich ins Bild eintragenden Prozessualität wird zum Momentum dieser Malerei. Dabei erfährt gerade das Element des Zeichnerischen eine spezielle Aufwertung, wird es doch nie als rein die Malerei vorbereitendes, sondern stets als Medium von originärer Kraft aufgefaßt.

Einen weiteren unmittelbaren Reiz innerhalb dieses malerischen Vokabulars bildet der Moment der Verletzung: die Bildoberfläche wird unmittelbar und sinnlich erfahrbar berührt, zugleich aber auch perforiert und fragmentiert bis hin zur Anmutung von Verletzung.

Die in den noch weichen Grund gesetzten Linien, die in vielen zunächst rein gegenständlich anmutenden Motiven einen eigenen Rhythmus formen, agieren in dieser Form durchaus als Aggressoren: die mit einem Gegenstand aufgebrachte Linie vermag, im Gegensatz zur reinen Ölmalerei, die Farbfläche in realiter zu verletzen. So erlangt die Linie eine zusätzliche, physische Konnotation, einen körperlichen Bezug, der im Kern aller Arbeiten Hans Schultes auszumachen ist.

Die Linie transportiert, je nach Geschwindigkeit ihres Eintrages, psychologisch lesbare Gehalte, die das Dargestellte inhaltlich stützen, konterkarieren oder erweitern. Die jeweils höchst unterschiedliche Plastizität transportiert psychologische, an den Körper gebundene Valeurs, die sich intuitiv vermitteln: von ruhiger Konzentration über geladene Spannung bis hin zum freien, heiteren Spiel ist alles möglich.

Dadurch verfügt Hans Schultes Malerei in ihrer durchaus konzeptuellen Organisation über eine intuitiv anmutende Qualität. Druck, Heftigkeit und Bewegtheit bilden sich unmittelbar ab, was die Abstraktion mit etwas unleugbar Körperlichem auflädt, das an die Körperlichkeit des Weiß denken läßt, wie sie Robert Ryman über Jahrzehnte hinweg immer wieder neu zu entdecken und eindringlich vorzuführen vermag. Zugleich sperren sich Schultes abstrakte Malereien der objekthaften Zuweisung, was diese ebenso unbelastet wie provokativ macht: in ihnen zeigt sich die reine Schönheit der Geste und eine geradewegs assoziativ leuchtende Setzung, deren Autonomie zu provozieren vermag.

Struktur, Fläche, Grund

Das Oszillieren zwischen Oberfläche und Element, zwischen Struktur und Motiv vermag auf die grundsätzliche Widersprüchlichkeit des Malerischen zu verweisen, ohne dieses jedoch versöhnen zu müssen. Die Körperlichkeit existiert in Hans Schultes Malerei als haptischer Reiz, der eine vom Motiv unabhängige, dichte Bildlichkeit zu entwerfen vermag. Im Zusammenspiel aus Flächigkeit und Transparenz des Motives und dem gestisch bewegten und plastisch Strukturierten des Grundes ergibt sich ein geradezu tektonischer Bildaufbau. In jüngster Zeit entsteht innerhalb dieses Vorgehens eine dominantere Eigenkörperlichkeit: der Grund entwickelt sich hin zu einer fast skulpturalen, sich in den dreidimensionalen Raum erhebenden Plastizität. Der Bildgrund scheint auszuufern; zum eigentlichen Bildkörper heranzuwachsen, der das Motiv nicht mehr nur zu tragen wünscht, sondern gegen es aufzubegehren scheint. Diese Art des Wucherns setzt ein schwer zu fassendes, unkontrollierbares Moment gegen das Kalkül des Motivs und seine Fragilität. Hans Schultes Malerei mißtraut darin sowohl der Sehnsucht nach der genialischen Erfindung als auch der Kraft des unmittelbar Gestischen. Dies mitbedenkend, öffnet sich aber gleichwohl ein Horizont, an dem ein umfangreiches Register originärer Setzungen vor der Folie der Kunstgeschichte möglich wird und sich mit Kraft behauptet. Das Festhalten am einmal gewählten Medium scheint dabei essentiell zu sein für die Entwicklung von Stringenz, die innerhalb dieses Werkes relevanter erscheint als das kalkulierte Erzielen bildnerischer Effekte; dem, was Hans Schulte als „Bildgewalt“ in Anführungszeichen gesetzt sehen möchte. Doch ist es nicht zuletzt auch die selbst gestellte Aufgabe eines produktiven Auslotens sowohl der Qualitäten des Mediums als auch der eigenen bildnerischen Fähigkeiten, die in jedes dieser Gemälde eingetragen ist.

Spur und Verlöschen

Die malerische Aufmerksamkeit löst das Motiv aus dem Strudel der Zeichen heraus. Zugleich scheint dabei die immer wieder wie im Verlöschen begriffene Art der Repräsentation auf die Flüchtigkeit des Motives zu verweisen. Der Maler behauptet sein Motiv nicht, er scheint es vielmehr auszuprobieren und es kurz aufscheinen zu lassen. Das Motiv flackert auf wie ein heftiger Traum, dessen so greifbar scheinende Realität mit dem Erwachen unweigerlich endet. So scheint Hans Schultes malerische Aufmerksamkeit sich einer Synthese in sich gebrochener Motive zu widmen, die in seiner Malerei zueinanderfinden, um für einen Moment innezuhalten im Tosen der Bilder, aller bis dato gesendeten, gefilmten und gemalten Bilder. Die fragmentierenden Bildelemente treiben das Motiv in die Abstraktion hinein und formen einen von der gegenständlichen Repräsentation unabhängigen Raum und Rhythmus.

Auch hier ist ein autonomer Betrachter gefordert, der in einer zwischen Motiv und Struktur unweigerlich hin- und herspringenden Aufmerksamkeit zur Konzentration gezwungen ist. In der oszillierenden Ambivalenz der Motivik öffnet sich darüber hinaus Raum für vielfältige Projektionen. So hat jeder Betrachter die Deutung des wie im Verschwinden Begriffenen selbst zu leisten. Die Malerei Hans Schultes behauptet sich in einer konsequenten Reduktion, die gefüllt werden will von jedem, der ihr begegnet . Der erlebbare, faktische Raum steht in Hans Schultes Malerei oft in Diskrepanz zum illustrativen Raum, den man als Betrachter selbst zu durchmessen hat. In dieser Spannung können die im Bild angesprochenen Konnotationen neu verhandelt werden; können bildliche Konvention hinterfragt und durchbrochen werden. Zusätzlich verunklärt und in Zweifel gezogen durch das Umbrechen des Flächigen in der Einfassung in Rändern, durch Ausfransungen und markante Ecken, erteilen die Gemälde Hans Schultes allen überkommenen Ansprüchen an Hermetik eine Absage. Vielmehr vertrauen sie der bewussten Begrenztheit einer Setzung, die als malerische Herausforderung begriffen wird.

Figürliche Repräsentation, gestische Setzung und malerische Erfindung existieren gleichberechtigt im Bild, während das unmittelbare Eingreifen in den Bildgrund eine Spur hinterläßt, die wiederum Zeit und Erinnerung konserviert und sichtbar macht. So thematisiert diese Malerei ein konsequentes Bewusstmachen von Zeit und Vergänglichkeit. Sie wagt das Sichtbarmachen und Konservieren des malerischen Gestus, der sich als solcher nicht zuletzt angreifbar macht, in dem er nachvollziehbar bleibt, nachdem die Züge des Bildaufbaus längst vergangen sind. Die Spur bleibt. Diese Malerei macht sich sowohl in ihrer Prozessualität als auch in ihrer unbedingten Körperlichkeit angreifbar. Sie stellt sich selbst aus. Sie verbirgt nichts.



Object, Fragment, Trace

Hans Schulte’s painting
(Black Mountain, Kettler Verlag, 2007)
Magdalena Kröner

Process and Memory

Hans Schulte’s painting creates visual objects which through their haptic and physical presence tangibly enter into the surroundings and simultaneously lay a trace of memory in the subconscious. The most striking feature of this work is that it makes the process of artistic composition visible. What remains is the physically communicated presence of the artistic gesture which trusts in both its subject and the abstract rhythm of lines, grids and dots, creating a complex artistic fabric marked by manifold layers. Schulte’s painting is devoted to exploring artistic design and presenting complex ambiguity which demands a high degree of active deciphering on the part of the viewer.

Schulte uses a matt base for his painting; this offers broad scope for actively intervening in and marking the surface which supports both the illusionistic density of the painting and the spontaneity of the drawing process. Schulte’s dual strategy strives for a fundamental broadening of the classic notion of painting against the backdrop of years spent working purely in this medium. At the same time, however, striking out into drawing and sculpture continually affirms the image, its surface and structure, its intrinsic limits as a touchstone for every gesture, and provides new impetus for the painting.

The characteristic incisiveness of Schulte’s work is a product of the convergence, or rather the dual intersection of the dimensionality and precision of painting and the speed and ease of drawing. Painting and drawing gestures become simultaneously possible and each remains intelligible as such.

The attraction of a process inscribed directly into the image becomes the driving force of Schulte’s work. Thus the drawn element is afforded a higher status, because it is never conceived of as a purely preparatory step towards painting, but as an independently powerful medium.

A further immediate attraction of this pictorial vocabulary is the moment of injury – the artist comes into direct and sensuously tangible contact with the picture’s surface, simultaneously perforating and fragmenting it to the point that he creates a sense of actual physical injury.

In many of the subjects, which at first seem purely representational, the lines set in the still-soft base create their own rhythm and act entirely as aggressors in this form. A line introduced with an object can, unlike pure oil painting, actually injure the colour layer. The line thus acquires an additional, physical connotation, a corporeal context which exists at the core of all of Schulte’s works.

Depending on the speed with which it is introduced, the line conveys psychologically legible content, which either underpin, thwart or amplify the structure of the subject. The plasticity varies widely in each instance and conveys psychological, corporeal values which express themselves intuitively. From peaceful concentration to charged tension to free, blithe playfulness, everything is possible.

Schulte’s painting thus assumes an apparently intuitive quality in its thoroughly conceptual arrangement. Pressure, violence and turbulence are immediately depicted, charging the abstraction with something undeniably corporeal, reminiscent of the corporeality of the white that Robert Ryman continually rediscovered and powerfully exhibited over decades. At the same time Schulte’s abstract paintings resist any objective appropriation, making them as unburdened as they are provocative. They reveal the sheer beauty of the artistic action and an immediately associative, lucid composition with a provocative autonomy.

Structure, Surface, Base

The oscillation between surface and element, between structure and subject alludes to the fundamental contrariness of the painting without having to reconcile it. Corporeality exists in Schulte’s paintings as a haptic attraction which constructs a dense imagery independent of the subject. The interplay of the two-dimensional and transparent subject, and the actively manipulated and plastically structured base creates a thoroughly tectonic composition. A more dominant, individual corporeality has recently emerged in this process – the base develops a near-sculptural physical quality, rising into the three-dimensional space. The base seems to overflow, to grow into its own visual object which no longer wants to merely carry the subject, but seems to rebel against it. The sprawling effect generates an almost irrepressible, uncontrollable momentum against the subject’s forethought and its fragility. In this sense Schulte’s painting mistrusts the desire for pseudo-brilliant invention as much as the power of the immediate gesture. Nevertheless, with this in mind, a new horizon opens up in which an extensive catalogue of original compositions against the backdrop of art history becomes possible and powerfully asserts itself. Adhering to his chosen medium in the process appears crucial for developing stringency which seems more relevant within this work than intentionally producing visual effects; it is what Schulte would like to see termed “visual force” in inverted commas. Yet it is, not least, also the self-posed task of productively sounding out the quality of the medium and its unique sculptural capacities which is inscribed in each of these paintings.

Trace and Vanishing

Schulte’s artistic attention releases the subject from the tumult of the markings. In addition the representative style, which invariably seems to be in the process of vanishing, implies the ephemeral nature of the subject. Schulte does not assert his subject; it is as if he is testing it, allowing it to appear for a moment. The subject flares up like an intense dream which seems so tangibly real but inevitably evaporates upon awakening. Schulte’s artistic attention thus appears focused on a synthesis of fractured subjects which come together in his painting to pause in the uproar of the images, of all the images broadcast, filmed and painted to date. The fragmented visual elements drive the subject into the abstraction and form a space and rhythm independent of objective representation.

Here too the work demands autonomous viewers, forced to concentrate as their attention inevitably leaps between subject and structure. Furthermore, space for manifold projections exists within the oscillating ambivalence of the subject. Each viewer must therefore arrive at an individual interpretation of the subjects seemingly captured on the brink of vanishing. Schulte’s painting expresses itself in a systematic reduction which all those who encounter it attempt to flesh out. “There is no such thing as an innocent, unconscious observation,” explains Schulte. In his paintings the tangible, existing space often stands in conflict with the illustrative space which the view must traverse alone. This tension allows the connotations addressed in the image to be renegotiated, visual conventions questioned and cracked open. In addition, through breaking down the surface by enclosing it in borders, through ragged edges and striking angles Schulte’s paintings are unclear and doubtful and reject all traditional claims of impenetrability. Rather, they trust in the conscious limits of a composition understood as a artistic challenge.

Figurative representation, active composition and artistic invention exist on equal terms in the painting, while the direct intervention in the base leaves a trace which in turn preserves time and memory and renders them visible. Schulte’s painting therefore addresses a consistent awareness of time and transience. It dares to make visible and preserve the artistic gesture, which as such becomes above all vulnerable because it remains intelligible long after the strokes which composed the picture have vanished. The trace remains. This painting renders itself vulnerable in both its process and its implicit corporeality. It lays itself bare. It hides nothing.